Aufbruch

Liebe Leser*innen,

passend zum Start der ersten Ampel-Regierung der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland möchte ich heute einige wichtige Vereinbarungen des Koalitionsvertrags herausheben, welche explizit für den Aufbruch stehen, der nach 16 Jahren Kanzlerschaft von Angela Merkel nun bevorsteht. 16 Jahre, in denen das Land zum großen Teil „gut verwaltet“ und mehr reagiert statt agiert wurde, weil die Union in großen Koalitionen viel blockieren konnte, was man „progressiv und fortschrittlich“ nennen würde.

Das erste paritätisch besetzte Bundeskabinett (9 Männer, 8 Frauen; also so paritätisch wie möglich), kann nun also nach einem lange nicht für möglich gehaltenen Wahlsieg der SPD mit Olaf Scholz seine Arbeit aufnehmen. Diese Regierung wird so viele Staatssekretärinnen haben wie noch nie und mit Cem Özdemir ist erstmals ein Sohn türkischer Gastarbeiter Minister. Neben diesen erfreulichen Entwicklungen hat die „Ampel“ aber auch inhaltlich einen Aufbruch vor.

Zunächst einmal sei einordnend erwähnt, dass eine Koalition immer einen Kompromiss darstellt. Natürlich hätten wir uns Sozialdemokrat*innen bspw. im Bereich der Steuerpolitik mehr Umverteilung und Entlastung der Geringverdienenden sowie der Mittelschicht vorstellen können und auch dafür im Wahlkampf geworben. Dieses Podium will jedoch explizit den Fortschritt und die positiven Veränderungen herausstellen, welche sich die neue Bundesregierung vorgenommen hat.

Beginnen möchte ich mit dem Thema, was uns alle nun seit zwei Jahren beschäftigt und unser Leben massiv beeinflusst hat: das Coronavirus. Hier ist zunächst einmal sehr positiv anzumerken, dass mit Prof. Dr. Karl Lauterbach nun ein echter Experte das Gesundheitsministerium leitet. Er wird dafür sorgen, dass die Corona-Politik der Regierung zielgerichteter und mit Weitsicht erfolgt. Außerdem wird die PandemieBekämpfung durch einen Krisenstab der Bundesregierung besser koordiniert werden. Zudem soll es für die Pflegenden einen erneuerten Corona-Bonus geben.

Zwei antiquierte Verbote sollen außerdem im Gesundheitsbereich fallen: das sogenannte Werbeverbot für Abtreibungen und das generelle Verbot von Verkauf und Besitz von Cannabis. Während Zweiteres eine logische Folge von wissenschaftlichen Erkenntnissen, die über die fundierten Aussagen der beiden ehemaligen Drogenbeauftragten der CSU („Cannabis ist verboten, weil es illegal ist“ und „Cannabis ist kein Brokkoli“) hinausgehen, geht es bei der Abschaffung von Paragraph 219a für Frauen um deutlich mehr. Schon lange kritisieren Sozialverbände sowie Ärzt*innen diese Regel, welche eine angemessene Beratung zum Thema „Schwangerschaftsabbruch“ verhindert, weil zum Teil verzweifelte Frauen nicht wissen, an wen sie sich wenden können.

Auch beim Wohnungsnotstand und dem Mindestlohn wird sich etwas tun. Die Zielsetzung, jedes Jahr 400.000 neue Wohnungen zu bauen, wird mit dem neuen Ministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen angegangen. Im Koalitionsvertrag heißt es dazu: „Dafür werden wir die finanzielle Unterstützung des Bundes für den sozialen Wohnungsbau inklusive sozialer Eigenheimförderung fortführen und die Mittel erhöhen.“ Zudem wird die Mietpreisbremse bis 2029 verlängert und der Mindestlohn auf 12 € erhöht, was über 10.000.000 Beschäftigen hilft.

Die größte Herausforderung für die neue Regierung wird allerdings der Block „Klima & Mobilität der Zukunft“ sein. Hier soll einiges passieren. Erneuerbare Energien sollen zügig ausgebaut werden und am Ende des Jahrzehnts 80 Prozent der Gesamtstromversorgung ausmachen. Hierbei sollen die Hürden für den Ausbau der erneuerbaren Energien abgebaut werden. Im Bereich Verkehr soll das Ziel erreicht werden, 15 Millionen vollelektrische Pkws bis 2030 auf die Straße zu bringen. Des Weiteren sollen die Regionalisierungsmittel, welche mit dem öffentlichen Nahverkehr in Zusammenhang stehen, ab 2022 erhöht werden. Das erklärte Ziel ist eine Steigerung der Fahrgastzahlen. In die Wasserstoffnetzinfrastruktur soll ebenfalls investiert werden.

Bei den Themen Teilhabe und Bildung gibt es zu guter Letzt auch drei wichtige Veränderungen. Beim Thema Migration soll sich beim Einwanderungsrecht endlich etwas tun. Mit einer Chancenkarte soll legale Migration auf Basis eines Punktesystems möglich werden. Außerdem heißt es: „Zugleich werden wir die Hürden bei der Anerkennung von Bildungs- und Berufsabschlüssen aus dem Ausland absenken, Bürokratie abbauen und Verfahren beschleunigen.“ Auch für junge Menschen soll es mehr Teilhabe und Mitbestimmung geben: Das Wahlalter soll auf 16 Jahre abgesenkt werden. Eine weitere gute Nachricht für junge Leute ist, dass das BAföG reformiert und elternunabhängiger gemacht werden soll. Für die Unabhängigkeit junger Menschen ein wichtiger Schritt.

Alles in allem kann man anhand dieses kurzen Auszugs aus dem Koalitionsvertrag feststellen, dass sich die Koalition viel vorgenommen hat. Das hierbei mit Christine Lambrecht und Nancy Faeser zwei Frauen aus Hessen in vorderster Reihe als Verteidigungs- und Innenministerinnen mit von der Partie sind, freut uns als Viernheimer SPD umso mehr. Wir werden den Weg unseres Bundeskanzlers Olaf Scholz und seiner Koalition des Aufbruchs kritisch und solidarisch verfolgen und freuen uns, wenn möglichst bald schon viele Vorhaben in die Tat umgesetzt werden können.

Michael Kosbau, OV-Vorsitzender SPD Viernheim