Redebeitrag von SPD-Stadtverordneten Peter Lichtenthäler zum gemeinsamen Antrag von SPD und GRÜNEN zum Thema Kinderarmut

Bild: Peter Lichtenthäler, stv. Fraktionsvorsitzender

Sehr geehrte Damen und Herren,

was heißt das für Kinder, sich zu schämen, wenn ihre Freund*innen sie zu Hause besuchen? Oder Einladungen zum Geburtstag auszuschlagen, weil sie kein Geschenk haben? Was heißt das für Kinder, Ausreden für ihre Freund*innen erfinden zu müssen, weil sie kein Geld für Unternehmungen haben? Oder wenn ihre Mutter für die Teilnahme an der Klassenfahrt bei ihrem Lehrer einen Antrag stellen muss?

„Aufwachsen in Armut begrenzt, beschämt und bestimmt das Leben von Kindern und Jugendlichen – heute und mit Blick auf ihre Zukunft“, so eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung. Unterversorgung mit materiellen Gütern, vor allem aber von sozialen und kulturellen Teilhabemöglichkeiten ausgeschlossen zu sein, ist für sie eine Normalerfahrung. Vielfach sind schlechtere Bildungschancen, gesundheitliche Beeinträchtigungen sowie geringeres Wohlbefinden und Selbstbewusstsein die Folge. Aufwachsen in Armut ist eine schwere Hypothek, mit der die betroffenen Kinder ins Leben starten.

Das hat auch für die Gesellschaft erhebliche negative Folgen. Der zentrale Ort, an dem die Folgen von (Kinder-)Armut offenbar werden, ist die Heimatstadt. Kinderarmut wirkt sich nicht nur auf individuelle Lebenslagen und Teilhabechancen aus, sondern ist auch mit hohen Folgekosten für die Kommunen verbunden, insbesondere im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe. Die Corona-Krise hat die Situation für arme Kinder und ihre Familien zusätzlich in vielerlei Hinsicht noch verschärft.

Meine Damen und Herren, das darf uns nicht gleichgültig sein! Wir sind alle aufgerufen, unseren Beitrag dazu zu leisten, Kinderarmut zu vermeiden oder zumindest ihren nachteiligen Wirkungen und Folgen präventiv entgegen zu wirken. Hierbei kommt der Kommune eine zentrale Bedeutung zu, denn hier gibt es wichtige Potenziale für aufeinander abgestimmte bedarfsgerechte und passgenaue Unterstützungsangebote für Familien, die andernorts schon erfolgreich Anwendung finden.

Wir wissen, dass Kinderarmut regional sehr unterschiedlich verteilt ist – während in Deutschland mehr als 20 % der Kinder in Armut aufwachsen und das trotz lang anhaltender guter wirtschaftlicher Entwicklung seit Jahren – sind es in unserem Landkreis 10 % – wir meinen, das sind 10 % zu viel.

Der Einfluss der Stadt auf die Einkommens- und Vermögensverteilung ihrer Bürger*innen ist sicherlich begrenzt, nicht jedoch auf deren soziale Daseinsvorsorge und Teilhabechancen. Hierauf zielt unser Antrag, um dessen Zustimmung wir Sie hiermit bitten.

Wir wissen auch, dass es in Viernheim seit Jahren viele Unterstützungsangebote für arme Familien gibt – vom Kinderschutzbund bis zum katholischen Sozialzentrum, von den Beratungsangeboten im Familienbildungswerk bis zu den Freizeitangeboten der städtischen Jugendförderung. Aber: Sind sie ausreichend und aufeinander abgestimmt oder gibt es Lücken? Kommen sie bei den Familien an oder gibt es unsichtbare Barrieren?

Um diese Fragen zu klären, schlagen wir Ihnen vor, dass wir uns zunächst einen Überblick über die derzeit bestehenden Maßnahmen, Institutionen und Angebote in diesem Bereich verschaffen. Davon ausgehend könnten wir darüber nachdenken, inwieweit Kommunalpolitik sinnvolle Beiträge zur Erweiterung, Unterstützung oder Optimierung der bestehenden Hilfesysteme leisten könnte.