In unserer Stadt ist es schon lange Tradition, dass in einer Gedenkstunde am 9. November in und vor der Kulturscheune an die Reichspogromnacht und am 15.11. – dem Volkstrauertag – in einer Gedenkfeier in der Trauerhalle des alten Friedhofs an die Opfer von Kriegen, Terror und Gewalt von früher und heute erinnert wird.
In diesem Jahr unter Pandemiebedingungen und einem erneuten Teil-Lockdown ist das gemeinsame öffentliche Gedenken und Erinnern in der traditionellen Form einer Präsenzveranstaltung leider nicht möglich. Umso begrüßenswerter ist es, dass die Erinnerung und das Gedenken an die jüdischen Familien, die in der Reichspogromnacht brutal aus ihrer Lebenswelt herausgerissen und ihrer Heimat beraubt wurden, auch in diesem Jahr durch eine Videobotschaft wachgehalten werden soll.
Denn die Erinnerung an dieses Ereignis aus dem dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte mahnt uns gerade auch heute wieder wachsam zu sein und entschlossen, den wiedererstarkenden Antisemitismus in unserer Gesellschaft zu bekämpfen. Der Schoß, aus dem diese menschenverachtende Ideologie gekrochen ist, ist immer noch fruchtbar – mit verheerenden Folgen für Menschen jüdischen Glaubens und ihren Einrichtungen, nicht nur in unserem Land. Die überwiegende Mehrheit der heute lebenden Deutschen trägt keine Schuld an der Diffamierung und Diskriminierung, der Entrechtung und der physischen Vernichtung (Holocaust) der deutschen und europäischen Juden in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts und während des Zweiten Weltkrieges. Aber wir heute Lebenden und alle nachfolgenden Generationen haben die Verantwortung, aktiv dafür einzutreten, dass sich ein solches Menschheitsverbrechen nicht noch einmal wiederholt.
Wir erinnern uns auch in diesem Monat am 15. November, dem Volkstrauertag, ohne eine öffentliche Veranstaltung, aber in aller Stille an frühere und heutige Kriege, Terrorakte und Gewalttaten und gedenken der Opfer solcher schrecklichen Ereignisse. In Europa können wir in Frieden, Freiheit und Wohlstand leben. Aber diese Werte werden, wie unsere westliche Lebensweise und demokratische Staatsform überhaupt mittlerweile nicht nur infrage gestellt, sondern auch gewaltsam, wie Terroranschläge mit vielen unschuldigen Opfern zeigen, bekämpft. „Wir dürfen vor der Gewalt und dem Hass“, so Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier über den Anschlag von Wien in dieser Woche, „nicht zurückweichen.“
So dürfen trotz Pandemie die Aufmerksamkeit und die Abwehrbereitschaft gegenüber den Feinden unserer Demokratie nicht nachlassen. Und wir müssen auch sowohl mit den Opfern von Gewalttaten als auch mit den Leidtragenden der Corona-Pandemie und den besonders durch den erneuten Lockdown Betroffenen solidarisch sein. Denn nur mit Solidarität – Haltung zeigen und konkret mitmenschlich handeln – werden wir die Krise zum Wohle aller meistern. Das haben wir schon einmal im Frühjahr in unserer Stadt bei der Bewältigung des ersten Lockdowns durch individuelles und kollektives solidarisches Handeln von Bürgerinnen und Bürgern bewiesen. Daran sollten wir uns erinnern und dementsprechend handeln.